Logo der Tauchsportgruppe an der Uni Kiel in Sand gemalt

Der Mittelgrund in der Eckernförder Bucht wird an diesem sonnig-windigen Sonntagmittag mittlerweile von 1 Meter hohen Wellen überspült. Die Bootsführer und Apnoe-Event-Organisatoren Rolf und Andreas sind froh, dass die Wellen quer zur Fahrtrichtung laufen, so kann das schwarze Schlauchboot mit dem 25-PS-Motor an den Wellenhängen entlang gleiten.

          
Gegen die Wellenrichtung wäre die Bootsfahrt gescheitert. Als das Schlauchboot über die Wellen brettert, kann man sich noch kaum vorstellen, bei Windstärke 4 auffrischend 5 BFT über dem von Legenden umwobenen "Mittelgrundwrack" Apnoe zu tauchen.

Das namenlose Schiff sank im vergangenen Jahrhundert wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg in einer stürmischen Nacht. Die Mannschaft wurde in einer lebensgefährlichen Rettungsaktion von Seeleuten aus Laboe geborgen und an Land verbracht. Doch am nächsten Tag war die Mannschaft spurlos verschwunden. Handelt es sich um ein Spionageschiff im heraufziehenden Ersten Weltkrieg, das bei einer Erkundungsfahrt Opfer eines unerwarteten Sturms wurde? Das Wrack wahrt bis heute sein Geheimnis.

Die Geschichte des Wracks verstärkt natürlich den Reiz, mitten in der Eckernförder Bucht den Grund bei 17 Meter anzutauchen. Als ob es des zusätzlichen Anreizes bedurft hätte. Nach einigen harten Wellenklatschern endlich am Mittelgrund angekommen, machen sich die drei Apnoeisten Oliver, Stefan und Daniel unter der Anleitung von Andreas daran, zwei Apnoe-Bojen am Wrack zu setzen.

Andreas taucht die Positions-Boje ab und stellt zufrieden fest, dass ein Grundgewicht direkt auf dem Heck-Wrackteil auf 14 Meter liegt. Das Gewicht der zweiten Boje ruht knapp 3 Meter daneben auf dem Boden bei 17 Meter. Alle Apnoeisten sind mittlerweile im Wasser und dabei, sich auf die gemeinsamen Tauchgänge vorzubereiten. Wir haben uns in zwei Gruppen auf die beiden Bojen aufgeteilt. Oliver und ich beginnen an der 14-Meter-Boje.

Während Oliver bereits Apnoe-Workshop-geschult seine Konzentrationsphase auf dem Rücken liegend absolviert, bevorzuge ich die "Schnorchelstellung". Die bewährt sich bei dem Wellengang, den ich nach unten auf die Führungsleine blickend völlig ausblenden kann. Nur ein sanftes Schaukeln bleibt, ein Finger an der Boje genügt, um die Position zu halten. Oliver richtet sich aus der Rückenlage auf und beginnt seinen ersten Tauchgang. Als sein Sicherungstaucher warte ich an der Oberfläche, bis seine Flossen fast im dunklen Grün verschwinden und tauche ihm dann hinterher. Mittlerweile steigt er so schnell ab, dass ich ihn kurz aus der Sicht verliere, doch dann taucht Oliver und mit ihm das Wrack unter mir in meinem Sichtbereich auf. Nach dem Abstieg durch das leicht grünlich veralgte Ostseewasser bin ich jetzt erstaunt, wie deutlich ein Stück Bordwand unter mir steht. Ich schwebe ein, zwei Meter über Oliver, habe ihn gut im Blick. Und schon geht es wieder an den Aufstieg: Als Oliver auf meiner Höhe ist, tauchen wir parallel, meine Augen beobachten seine, sowie sein Zwergfell. Ich sichere ihn bei seinem ersten Tauchgang zum Wrack. Sollte er ohnmächtig werden, so kann ich seinen Kopf oberhalb der Wasserwellen halten, bis er wieder zu sich kommt. Doch der Ernstfall blieb uns bislang erspart.

Ich bin an der Reihe. In meiner Ruheposition kann ich Oliver als kleine Vorwarnung das OK-Zeichen geben, bevor ich einfach abklappe und die ersten Schläge nach unten mache. Wieder zieht sich das Grün hin, doch als das Wrack unter mir auftaucht, sind meine Schwierigkeiten beim Druckausgleich in größeren Tiefen vergessen. Vorsichtig schlängle ich mich an zwei, drei gelben Haarquallen vorbei, die sich am Wrack verfangen haben. Die Bordwand ist nett bewachsen, soviel kann ich noch registrieren, bevor es wieder nach oben geht. Oliver schwebt über mir und taucht gemeinsam mit mir aus den Wellen. Von nun an geht es Schlag auf Schlag, wir müssen kaum Worte wechseln: Handzeichen, Abtauchen, Augenkontakt, Auftauchen. Die Verweilzeiten am Wrack werden länger, es reicht für eine kleine Runde vorne um die Bordwand, ein paar kurze Blicke auf den schönen Bewuchs. Vorsicht vor den vielen Angelleinen und Haken ist geboten, die können fatal sein! Erfahrene Freigewässer-Apnoeisten haben immer ein Messer dabei, weiß Rolf später zu berichten. Wer möchte schon im Fischernetz enden?

Nach knapp 25 Minuten ist Halbzeit. Wir wechseln die Bojen. Für uns eine Steigerung, liegt doch das Grundgewicht noch mal 3 Meter tiefer. Doch es klappt im ersten Angang, ich schlage an den Hantelscheiben an, die Andreas als Grundgewicht an die Führungsleine gebunden hat. Bei den letzten Tauchgängen werden auch wieder die Verweilzeiten länger, es reicht, um kurz die Bordwand anzutauchen, bevor es zum Auftauchen geht. Der Atemreflex hält sich immer länger zurück, was den Aufstieg nur noch angenehm erscheinen lässt, zumal das Wasser oben doch ein paar Grad wärmer ist als die 14° Celsius unten.

Nach nicht ganz einer Stunde brechen wir ab, erschöpft, abgekühlt, aber überglücklich. Ich registriere auf der Rückfahrt breit grinsende Gesichter. Wir sind mit Sicherheit wieder dabei, wenn es zum Apnoe-Tauchen am legendären Mittelgrundwrack geht. Das bleibt an diesem Sonntag kein Geheimnis.

Daniel Krönke, TUK e.V., September 2009

Einige Fotos von der Ausfahrt könnt ihr auf Andreas' Seite (http://www.amcs.net/user/cognac/photos/dive/20090816-Hohenhain) ansehen.